Über Radsport & das Peloton
Gemeinsam erfolgreich über Berge und durch Täler.
Der Straßenradsport lehrt uns, wie wir im Leben weiterkommen und ist gleichzeitig eine wunderbare Quelle, um Systemdynamiken zu studieren.

Vom Radsport zur Systemtheorie
Meine Faszination für die Dynamik und Steuerung von komplexen Systemen und die Rolle des Einzelnen darin begann nicht im Hörsaal, sondern am Straßenrand und vor dem Fernseher. Ich habe über 1.000 Straßenradrennen verfolgt – als leidenschaftlicher Beobachter, als Analytiker, als jemand, der verstehen wollte, warum die Dinge so laufen und nicht anders.
Ich begann Muster zu erkennen: Wann brechen Gruppen auseinander? Was erzeugt Geschwindigkeit und Fortkommen, was Stillstand? Was bewirken Veränderungen im Umfeld? Welche Kräfte halten ein System zusammen – und wann bricht es auseinander? Fragen, die auch Organisationen, Teams und ganze Gesellschaften beschäftigen.
Im Laufe der Zeit habe ich diese Beobachtungen theoretisch fundiert – und schließlich auch eine Masterarbeit zum Thema „Wirksames Management von Organisationen in einer VUCA Umwelt“ geschrieben, in der ich Erkenntnisse aus der systemischen Untersuchung des Radsports erfolgreich auf Unternehmen und Organisationen übertragen habe.
Das Peloton als Quelle für Systemdynamiken
Der Straßenradsport macht wie kein anderes mir bekanntes System sichtbar, was in einem vernetzten, dynamischen soziotechnischen System geschieht, das zudem internen und externen Konkurrenzen ausgesetzt ist.
Der professionelle Straßenradsport wird in Teams ausgetragen, aus denen ein Fahrer den Sieg davonträgt. Bei der Tour de France treten etwa 20 Teams mit je 8 Fahrern gegeneinander an. Wenn sich die Fahrer:innen in einem dichten Feld bewegen, muss jedes Teammitglied überlegt auf das Verhalten der anderen reagieren, um das große, gemeinsame und übergeordnete Ziel zu erreichen. Die Dynamik im Peloton zeigt uns, wie koordinierte Anpassungen in einem System mit eng verbundenen Elementen möglich sind – bei Richtungswechseln, starkem Gegenwind oder Angriffen von Konkurrenten und anderen unvorhersehbaren Veränderungen. Die Teams und ihre Fahrer müssen sich in einem hoch kompetitiven und dynamischen Umfeld zurechtfinden.
So wie in gut geführten Unternehmen oder Organisationen, die auf Veränderungen in ihrem Umfeld reagieren müssen, funktioniert auch das Peloton als lebendiges System: Es ist ständig in Bewegung, reagiert flexibel auf neue Herausforderungen und optimiert sich laufend. Ohne diese Dynamik und Anpassungsfähigkeit würde sowohl das Peloton als auch eine Organisation ins Straucheln geraten.


Schnelle Veränderungen – Das Peloton als Lernfeld für Anpassungsfähigkeit
Im Radsport gibt es Momente, die von einem Augenblick auf den anderen alles verändern können: ein plötzlicher Windstoß, ein unerwarteter Angriff oder ein schwieriger Anstieg. In solche Situationen sind blitzschnelle Entscheidungen, Mustererkennung und kollektive Intelligenz gefragt.
Auch in Unternehmen und Organisationen erleben wir solche Momente, die durch die Vernetzung immer schneller und unvorhersehbarer werden: Der Markt kippt, eine neue Technologie setzt sich durch oder eine Krise zwingt zum sofortigen Handeln. Wer dann gelernt hat, flexibel zu bleiben und sich schnell an neue Bedingungen anzupassen, hat einen entscheidenden Vorteil – als Individuum und als System.
Der Einzelne im System – Führung, Verantwortung und Selbstwirksamkeit
Im Peloton ist jeder Fahrer Teil eines größeren Teams, eingebettet in das gesamte Fahrerfeld. Gleichzeitig ist er aber auch für sich selbst verantwortlich. Es gilt, die richtige Position zu halten, die Kräfte klug einzuteilen, die Signale der anderen zu lesen und im richtigen Moment zu agieren oder zu reagieren. Wer hier nur auf sich schaut, gefährdet das Team. Wer sich nur auf das Team verlässt, verliert den Anschluss. Wer über das Team hinaus das gesamte Fahrerfeld nicht im Blick hat, gefährdet die Sicherheit.
Diese Balance zwischen Eigenverantwortung und Systembewusstsein ist auch in Organisationen zentral: Führungskräfte wie Mitarbeitende müssen sich selbst gut steuern können – und gleichzeitig verstehen, wie ihr Handeln in ein größeres Gefüge eingebettet ist.
Der Radprofi und Philosoph Guillaume Martin beschreibt diese Dynamik in seinem Buch „Die Gesellschaft des Pelotons“ als „Philosophie des Individuums in der Gruppe“. Es ist eine Philosophie der Aufmerksamkeit, des Respekts und des ständigen Nachdenkens darüber, was das eigene Handeln für die anderen bedeutet – und umgekehrt.
Das Peloton lehrt uns: Selbstwirksamkeit entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern im Zusammenspiel mit anderen. Und genau darin liegt die Stärke resilienter Systeme – in der Verbindung von persönlicher Klarheit und kollektiver Beweglichkeit im Rahmen eines gemeinsamen „Warum“ und gemeinsamer Werte.


VIABLON – Ein Kunstwort aus Viable System Model und Peloton
Das von mir entwickelte VIABLON-Prinzip verbindet das Viable System Model und die Positive Psychologie zu einem ganzheitlichen Konzept, das die Stärken beider Welten nutzt. Das Wort VIABLON leitet sich aus dem Viable System Model und „Peloton“ ab, in dem Systemdynamiken mit freien Auge sichtbar werden.
Im Radsport führt nur das Zusammenspiel aller Beteiligten im Team zum Erfolg des Einzelnen.
- Die Fahrer, die an vorderster Front ihre Leistung bringen und ihre Aufgaben erfüllen.
- Der sportliche Leiter, der Ressourcen koordiniert, Strategien in Echtzeit anpasst und das Team durch seinen Support durch das Rennen führt.
- Und die Vorauswagen, die frühzeitig Gefahren und Chancen auf der Strecke erkennen und diese Informationen zurückspielen.
Die Rollen sind klar definiert, stärken- und ressourcenorientiert verteilt – und gleichzeitig hochgradig anpassungsfähig.
Auch Unternehmen und Organisationen funktionieren idealerweise nach diesem Prinzip: Klare Strukturen, aber mit der nötigen Flexibilität, um auf Veränderungen im Umfeld schnell und zielgerichtet reagieren zu können. Es geht darum, als Gesamtsystem handlungsfähig zu bleiben – auch wenn die Bedingungen sich laufend ändern.
Das VIABLON Prinzip ist ein Framework, das zeigt wie jegliches komplexes System in einem gewissen Rahmen nicht nur stabil bleibt, sondern in dynamischen Umfeldern aufblühen kann – durch klare Strukturen, die Fähigkeit zur Anpassung und eine starke gemeinsame Identität.
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